Kartierungsabteilung

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Kartierungsabteilung

Ansprechperson: Till Krause

 

Ein Arbeitsschwerpunkt der Galerie für Landschaftskunst sind ihre Kartierungen, zu der sie eine Publikationsreihe herausgibt und unterschiedliche Veranstaltungen durchführt:

 

  • Exemplarisch wird seit Jahren der Raum Hamburg künstlerisch kartiert.
  • Auftragskartierungen wie z.B. der Städte Düsseldorf, Wolfsburg, des Oeynhauser Kurparks, eines Querschnitts durch Schleswig Holstein, der Nordhorner „kunstwegen-route“ oder des Wiener Wallenstein Platzes.
  • Subjektive Weltkarten.

 

Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Kartierung und Kartografie. Kartografie ist die Wissenschaft und Technik von der Herstellung von Karten. Dagegen verwenden wir den Begriff Kartierung in unseren Projekten eher so, wie das Wort „Mapping“ im Alltagsenglisch gebraucht wird, nämlich losgelöst von der Assoziation des Kartenzeichnens. So meint er nicht bestimmte Darstellungs-, sondern Vorgehensweisen: räumlich und zeitlich ausgedehntes Erkunden, Beobachten und Sammeln. Wie diese Beobachtungen dargestellt werden, ist dagegen mit „Mapping“ bzw. „Kartierung“ nicht benannt. Karten sind ebenso eine Möglichkeit der Umsetzung wie Diagramme, Listen, unterschiedlichste Bildformen, Medien, Texte, Erzählungen oder Handlungen.

 

Die Karte (Landkarte) ist besonders als ein Medium der Wirklichkeitsveränderung über die Imagination interessant, als Ding zwischen Bild und Text. Sie porträtiert einen spezifischen Gegenstand, aber nicht indem sie ihn lediglich abbildet. Sie übersetzt ihn und macht ihn allgemein lesbar. Dabei nutzt sie ein Repertoire von Zeichen, die unterschiedliche Grade von Abstraktionen und Verallgemeinerungen aufweisen. Manche Kartenelemente sind verhältnismäßig abbildhaft, andere stark abstrahiert, manche ganz Schriftsprache. Die Übersetzung des Gegenstandes in Zeichen macht es für den Kartografen notwendig, den Gegenstand zu analysieren, einzuordnen, zu verbegrifflichen. Schließlich muss man die Karte in der Benutzung lesend zusammensetzen wie einen nicht linearen Text und darüber ihren Gegenstand rekonstruieren. Weil die Karte also bild-, zeichen- und texthaft zugleich ist, kann sie als Bild oder Porträt eines Gegenstandes gelesen werden. Oder als seine Interpretation und Analyse. Oder als sein Leitbild (Modell). Oder als seine Einordnung in ein Begriffssystem. Von all dem hat die Karte etwas, und es liegt an unserer jeweiligen Interpretation, welcher Lesart wir den Vorrang geben.

 

Für eine gute Karte ist es – entgegen allgemeiner Auffassung – nicht wesentlich, wie dicht und genau sie an ihren Gegenstand herankommt, sondern wie sie Differenzen zu ihm fasst. Denn die Karte ist eine Darstellungsform der Übersetzung und der Transformation, nicht der 1:1 Annäherung. Lesen von Karten ist nur scheinbar ein Lesen von Erfassungen und Kategorisierungen. Beobachtet man diesen Lesevorgang genauer, wird deutlich, dass es sich weit mehr um ein Lesen von Lücken und Differenzen handelt. Was zum Beispiel bezeichnet und behauptet die Karte? Was nehme ich dagegen wahr? Was weiß ich? Was sehe ich? Was fehlt? Was ist falsch? Was richtig? Das Lesen von Karten basiert auf Erfahrungen und Wissen, vorausgesetzten Begriffen, Übung – und einem beständig neuen Prozess des Abwägens und Interpretierens. Lesen von Karten ist Lesen und Bedenken von Differenzen.

 

Zur Differenz gehören immer auch die Lücke, der Fehler, die Unzulänglichkeit. Sie zu bedenken ist Teil des Leseprozesses. Sie sind zwar durchaus ein Problem, nicht aber ein Mangel, sondern Thema und Teil der spezifischen Qualität des Mediums. Das Merkwürdige an einer Karte ist also, dass sie Kraft der Leseleistung, die sie voraussetzt, und aufgrund des Umstandes, dass sie aus Markierungen von Differenzen besteht, auch von Nichtgemeintem handeln kann, von dem, was sie eigentlich nicht im Blick hat. Die Karte legt alles in die Kunst und Perspektive des Lesens.

 

Wer Karten allein über die Kategorisierungen beschreibt, die Kartografie (wie jede Sprache) immer vornehmen muss, wer sie vorrangig über ihre Festschreibungen begreift und kritisiert, versteht nicht, sie zu lesen. Karten werden, aufgrund ihres oben beschriebenen vieldeutigen Verhältnisses zum Gegenstand, erst über die produktive Lesart der Nutzerinnen und Nutzer zu Karten. Ohne den Lesevorgang sind sie lediglich mit Zeichen übersäte, fixe Grafiken. Gute Karten sind Partituren, Werkzeuge der Deutung. Bei jedem Gebrauch müssen ihre Gegenstände neu gesehen, verstanden und gebildet werden.

 

Karten setzen weder Wirklichkeit voraus, noch legen sie sie fest. Vielmehr arbeiten sie an ihrer immer neuen Reflektion und Produktion über die Imagination. Damit mögen sie an mancher Stelle ein machtvollerer Eingriff sein als der physisch vorgenommene. Dieser Aspekt macht die Karte zu einem interessanten Mittel, heute künstlerisch an gesellschaftlicher Wirklichkeit zu arbeiten. Sie kann ein strategisches Mittel sein, mit dem man einerseits in Wahrung von Modellhaftigkeit mit künstlerischen Begrifflichkeiten Wirklichkeit scharf und eigenständig beobachtet und mit dem man andererseits diese Beobachtungen in Form von Orientierungsplänen in unmittelbare Konfrontation mit Wirklichkeit bringen kann.